22. Juli 2023 Künstliche Intelligenz

KI-Technologien im Geschäftsalltag: Praktische Anwendungen

Prof. Dr. Markus Hoffmann

KI-Experte & Technologieberater

Künstliche Intelligenz - Von der Theorie zur Praxis

Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren den Sprung von einem zukunftsweisenden Konzept zu einer praktisch anwendbaren Technologie vollzogen, die den Geschäftsalltag vieler deutscher Unternehmen bereits heute maßgeblich verändert. Laut einer Studie des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) setzen bereits mehr als 40% der deutschen Unternehmen KI-Technologien in unterschiedlichen Bereichen ein – mit steigender Tendenz.

In diesem Artikel betrachten wir konkrete Anwendungsfälle von KI in deutschen Unternehmen und zeigen auf, wie diese Technologien in verschiedenen Branchen und Funktionsbereichen eingesetzt werden, um Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und Innovationen voranzutreiben.

KI im Kundenservice: Chatbots und virtuelle Assistenten

Eine der sichtbarsten Anwendungen von KI im Geschäftsalltag sind Chatbots und virtuelle Assistenten im Kundenservice. Diese intelligenten Systeme übernehmen zunehmend die erste Kontaktebene mit Kunden und können standardisierte Anfragen eigenständig bearbeiten.

Praxisbeispiel: Commerzbank

Die Commerzbank hat mit "Comdirect Coko" einen KI-gestützten Chatbot entwickelt, der Kundenanfragen zu Bankprodukten, Kontoinformationen und allgemeinen Finanzthemen beantwortet. Das System lernt kontinuierlich aus den Interaktionen mit Kunden und kann mittlerweile über 70% der Standardanfragen ohne menschliches Eingreifen beantworten. Dies hat nicht nur zu einer Reduzierung der Bearbeitungszeit geführt, sondern auch die Kundenzufriedenheit durch schnellere Reaktionszeiten erhöht.

Implementierungstipps:

  • Beginnen Sie mit klar definierten Anwendungsfällen und erweitern Sie diese schrittweise.
  • Stellen Sie sicher, dass der Übergang zum menschlichen Kundenberater nahtlos funktioniert, wenn komplexere Fragen auftreten.
  • Nutzen Sie das Feedback der Kunden, um das System kontinuierlich zu verbessern.

KI in der Produktion: Predictive Maintenance

In der Fertigungsindustrie revolutioniert Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) durch KI-Technologien die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Maschinen und Anlagen warten. Anstatt auf feste Wartungsintervalle oder Ausfälle zu reagieren, ermöglichen KI-Algorithmen die Vorhersage von Wartungsbedarf basierend auf Echtzeitdaten.

Praxisbeispiel: Siemens

Siemens hat mit seiner Plattform "MindSphere" ein KI-gestütztes System für Predictive Maintenance entwickelt, das in zahlreichen Produktionsanlagen in Deutschland zum Einsatz kommt. Durch die Analyse von Sensordaten wie Temperatur, Vibration und Leistungsaufnahme kann das System Anomalien erkennen und Wartungsbedarf vorhersagen, bevor es zu Ausfällen kommt. Ein mittelständischer Automobilzulieferer in Bayern konnte durch den Einsatz dieser Technologie seine ungeplanten Maschinenstillstände um 25% reduzieren und die Wartungskosten um 15% senken.

Implementierungstipps:

  • Beginnen Sie mit einer gründlichen Datenerfassung und -analyse, um relevante Muster zu identifizieren.
  • Integrieren Sie Sensoren an kritischen Komponenten Ihrer Produktionsanlagen.
  • Schulen Sie Ihr Wartungspersonal im Umgang mit den neuen Technologien und Prozessen.

KI im Personalwesen: Rekrutierung und Mitarbeiterentwicklung

Auch im Personalwesen bieten KI-Technologien vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, von der automatisierten Vorauswahl von Bewerbern bis hin zur personalisierten Weiterbildung von Mitarbeitern.

Praxisbeispiel: Deutsche Telekom

Die Deutsche Telekom setzt KI-Technologien im Rekrutierungsprozess ein, um aus tausenden eingehenden Bewerbungen die passendsten Kandidaten zu identifizieren. Das System analysiert nicht nur die formalen Qualifikationen, sondern auch Soft Skills und kulturelle Passung basierend auf der Sprache in Anschreiben und Lebenslauf. Durch diesen Einsatz von KI konnte die Zeit bis zur Erstauswahl um 60% reduziert werden, während gleichzeitig die Qualität der ausgewählten Kandidaten verbessert wurde.

Implementierungstipps:

  • Achten Sie auf Fairness und Transparenz im Algorithmus, um Diskriminierung zu vermeiden.
  • Kombinieren Sie KI-basierte Vorauswahl immer mit menschlicher Entscheidungsfindung.
  • Informieren Sie Bewerber transparent über den Einsatz von KI im Rekrutierungsprozess.

KI im Marketing: Personalisierung und Kundenanalyse

Im Marketing ermöglichen KI-Technologien eine nie dagewesene Personalisierung von Inhalten und Angeboten sowie tiefgreifende Einblicke in das Kundenverhalten.

Praxisbeispiel: Otto Group

Die Otto Group hat ein KI-System implementiert, das das Kundenverhalten auf der Webseite analysiert und personalisierte Produktempfehlungen in Echtzeit generiert. Durch maschinelles Lernen verbessert sich das System kontinuierlich und passt die Empfehlungen basierend auf dem Browsing-Verhalten, früheren Käufen und ähnlichen Kundenprofilen an. Diese Personalisierung hat zu einer Steigerung der Conversion-Rate um 40% und einer Erhöhung des durchschnittlichen Warenkorbs um 10% geführt.

Implementierungstipps:

  • Sammeln und analysieren Sie Kundendaten auf ethische und datenschutzkonforme Weise.
  • Testen Sie verschiedene Personalisierungsstrategien, um die wirksamsten zu identifizieren.
  • Balancieren Sie Personalisierung mit Datenschutz und Kundenpräferenzen.

KI in der Finanzabteilung: Automatisierung und Betrugsbekämpfung

In Finanzabteilungen unterstützen KI-Technologien bei der Automatisierung von Routineaufgaben und der Erkennung von Anomalien zur Betrugsbekämpfung.

Praxisbeispiel: SAP

SAP hat mit seiner Lösung "Cash Application" ein KI-System entwickelt, das eingehende Zahlungen automatisch mit offenen Rechnungen abgleicht und zuordnet. Das System lernt aus historischen Daten und kann auch bei unvollständigen oder fehlerhaften Informationen die richtigen Zuordnungen treffen. Ein mittelständisches Handelsunternehmen in Hamburg konnte durch den Einsatz dieser Technologie den manuellen Aufwand in der Buchhaltung um 85% reduzieren und die Genauigkeit der Zuordnungen von 70% auf 95% steigern.

Implementierungstipps:

  • Identifizieren Sie repetitive Prozesse mit hohem Automatisierungspotenzial.
  • Stellen Sie sicher, dass Ihre Daten in einem strukturierten Format vorliegen.
  • Implementieren Sie robuste Kontrollmechanismen, um die Genauigkeit zu überwachen.

Überwindung von Implementierungshürden

Trotz der vielversprechenden Anwendungsmöglichkeiten stehen viele deutsche Unternehmen vor Herausforderungen bei der Implementierung von KI-Technologien. Hier sind einige Strategien zur Überwindung typischer Hürden:

1. Mangel an Fachwissen

Viele Unternehmen verfügen nicht über das notwendige interne Know-how für KI-Projekte. Kooperationen mit spezialisierten Dienstleistern, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen können diese Lücke schließen. Zudem bieten Plattformen wie die "KI-Trainer" des BMWI praktische Unterstützung für den Einstieg.

2. Datenqualität und -verfügbarkeit

KI-Systeme sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie trainiert werden. Investieren Sie in eine solide Dateninfrastruktur und -governance, um hochwertige, strukturierte Daten zu gewährleisten.

3. Skepsis und Widerstand

Mitarbeiter stehen neuen Technologien oft skeptisch gegenüber. Transparente Kommunikation, frühzeitige Einbindung und gezielte Schulungen können helfen, Ängste abzubauen und Akzeptanz zu schaffen.

4. Rechtliche und ethische Bedenken

Datenschutz und ethische Fragen sind zentrale Aspekte bei KI-Projekten. Stellen Sie sicher, dass Ihre KI-Implementierung den rechtlichen Anforderungen entspricht und entwickeln Sie ethische Richtlinien für den Einsatz von KI in Ihrem Unternehmen.

Fazit und Ausblick

Die praktischen Anwendungen von KI-Technologien im deutschen Geschäftsalltag sind vielfältig und bieten erhebliches Potenzial für Effizienzsteigerung, Kosteneinsparung und Innovation. Die vorgestellten Beispiele zeigen, dass KI längst keine Zukunftsmusik mehr ist, sondern bereits heute konkrete Wettbewerbsvorteile schafft.

Für Unternehmen, die bisher noch zögern, empfiehlt sich ein schrittweiser Einstieg mit klar definierten Anwendungsfällen und messbaren Zielen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in der strategischen Ausrichtung der KI-Initiativen an den Unternehmenszielen, dem Aufbau der notwendigen Kompetenzen und einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung.

Eines ist sicher: KI-Technologien werden in den kommenden Jahren noch tiefer in den Geschäftsalltag integriert werden und Unternehmen, die sich frühzeitig mit diesen Technologien auseinandersetzen, werden einen entscheidenden Vorsprung im Wettbewerb haben.